Kurze Info zum folgenden Blogpost
Dieser Blogartikel ist Teil der letzte Aufgabe eines Kurses innerhalb meines Masterstudium. Ich freue mich riesig, wenn du ihn liest und mir ein kurzes Feedback (bis Mitte November 2021) zukommen lässt. Eine Reflexion der Feedbacks ist dann der letzte Teil der Arbeit.
Der eigentliche Artikel 🙂
Ich habe mich in diesem Kurs viel mit dem Thema Kirche und ihren Formen beschäftigt. Nun soll ich darlegen, was mein Traum von Kirche ist. Ich kann zwar gut über Kirche philosophieren, aber die konkrete Frage hat mich dann doch enorm gefordert. Ich habe in meinem Studieren, Nachsinnen, Reflektieren etc. gemerkt, dass ich meinem Traum von Kirche keine fixe Form geben kann. In meinem Kopf dreht sich die Kirche nicht um: sind wir jetzt ICF? sind wir charismatisch? sind wir Hauskreiskirche? …
Ich bin ein Vertreter der form follows function Methode, wenn es um die Gestalt der Kirche geht. Das heisst, wie die Kirche schlussendlich aufgebaut ist, wie sie funktioniert, welche Dienste sie hat, etc. ist für mich eine Frage in zweiter Reihe. In der ersten Reihe haben sich meine Gedanken vorallem darum gedreht, was Kirche eigentlich sein soll. Das Resultat ist der Inhalt dieses Artikels:
Die Kirche steht in einem Spannungsfeld zwischen zwei Bezugspunkten – der eine ist Gott, der andere ist der Mensch – Warum erzeugt das ein Spannungsfeld?
Nun… die Kirche ist ein Ort, wo sich alles um Gott drehen soll – aber ist dir schon einmal aufgefallen, wie oft es in der Kirche um den Menschen geht? Menschen erreichen, Menschen fördern, Menschen bejüngern, Menschen in den Diensten versorgen, Menschen helfen, Menschen, Menschen, Menschen…
Nein, ich hau jetzt nicht mit dem bösen Humanistenhammer auf die Kirche drauf – ich finde dieses Verhalten richtig! Die Kirche ist als Gefäss für den Menschen gemacht. Nicht für Gott. Gott braucht keine Kirche! Das Kernanliegen der Kirche ist eben gerade der Mensch… weil das Kernanliegen Gottes der Mensch ist. Hier geht es nicht darum, den Rest der Schöpfung abzuwerten – aber das Herz des Menschen zu erreichen ist das Kernanliegen Gottes. Warum? – Jetzt bricht kurz der Prediger in mir durch…
26 Dann sprach Gott: „Lasst uns Menschen machen als Abbild von uns, uns ähnlich. Sie sollen über die Fische im Meer herrschen, über die Vögel am Himmel und über die Landtiere, über die ganze Erde und alles, was auf ihr kriecht!“27 Da schuf Gott den Menschen nach seinem Bild, er schuf ihn als sein Ebenbild, als Mann und Frau schuf er sie.
1. Mose 26-27
Gott schafft den Menschen nach 1. Mo 1, 26-27 in seinem Bild. Kurz darauf folgen zwei Aufträge – Füll die Erde, Herrsche über die Schöpfung. Im Befüllen der Erde sind wir je nach Weltregion mit ziemlich guten Zahlen dabei – aber der zweite Teil ist spannend für die Kirche: Herrsche über Gottes Schöpfung – dieser Auftrag klingt bereits in Vers 26 an.
Herrschen triggert bei uns komische Bilder von auoritären, gewalttätigen Regimes, wie Nordkorea, etc. Das ist aber alles nicht gemeint! Im Bilde Gottes geschaffen um im Bilde Gottes zu herrschen. So wie es Gott tun würde. Das heisst wir sollen die Schöpfung: schützen, pflegen, fördern, freisetzen – durch alles hindurch Lieben. Gott hätte selbst auf die Welt kommen können, er gibt sie aber in die Hand seiner in seinem Bilde geschaffenen Menschen und sagt: Ihr herrscht über die Schöpfung, so wie ich das tun würde- an euch soll die Schöpfung mich erkennen! Durch euch soll meine Liebe in die Welt kommen.
Und deshalb ist das Erreichen des Herzen des Menschen Gottes Kernanliegen – und wenn es Gottes Kernanliegen ist, dann muss es auch das Kernanliegen der Kirche sein. Ja es geht in der Kirche um Gott – und sein Anliegen ist der Mensch.
Dementsprechend ist die Kirche Gott gegenüber verantwortlich, den Menschen zu helfen so zu werden, wie Gott sie gedacht hat. Nicht so, wie die jeweilige Kirche sich das gerade wünscht. Das Ziel ist nicht, möglichst gute Kirchenschafe zu züchten – das Ziel ist es, Menschen Begegnungen mit Gott zu ermöglichen und sich dann gegenseitig auf diesem Weg mit Gott zu begleiten. Menschen sollen fähig werden so zu werden, wie Gott sie gedacht hat – eben in seinem Bild – und so auf die Welt einzuwirken.
Das heisst aber für die Kirche, dass sie den Menschen freisetzen muss, damit er seine Herrschaft – so wie vorher definiert – in dieser Welt leben kann. Die Kirche soll den Menschen nicht zurechtbüscheln, dass er möglichst gut in die jeweilige Kirche passt, sondern so, dass er möglichst fähig wird, die Liebe Gottes in sein tägliches Leben hineinzutragen.
Was bedeutet das konkret? Der IT-ler soll Gottes Liebe in seinen Programmcode hineinbringen. Der Automech in seine Werkstatt, der Schreiner ins Möbel, der Politiker in die Partei, der Finanzberater an die Börse, die Eltern in die Kinder. Die Kirche hat vor dem Menschen die Verantwortung, ihn nicht aus der Welt hinaus zu nehmen, sondern im Gegenteil ihn in die Welt hineinzusenden – als Aussendienstmitarbeiter von Gottes Herrschaft. Menschen für diesen Dienst an der Welt fit zu machen – das ist der Auftrag der Kirche.
Diese Kirche darf alle möglichen Formen annehmen, welche der Situation dienen. Mein Traum ist es, solche Kirchen zu sehen. Diese Kirchen haben ein Existenzrecht um der Menschen willen, die mit Gottes Liebe erfüllt werden sollen. Gott ist attraktiv – man muss ihn nicht attraktiv machen. Menschen, die mit Gottes Liebe erfüllt in die Welt hinausgehen, um eine dienende Herrschaft zu leben, werden andere Menschen anziehen – weil Gottes Liebe attraktiv ist.
Und dies ist mein Traum von Kirche – von jeder Kirche – egal ob schon existent, oder neu gegründet. Eine Kirche die Menschen hilft so zu werden, wie Gott sie gedacht hat – in enger Beziehung zu ihm. Damit diese Menschen Gottes Liebe, in die Welt tragen können.
Hoi Michi!
Spannende Gedanken. Ich verstehen Dein Bild von Kirche als Trainingscenter, wo Menschen im Namen Gottes und durch Begegnung mit Gott lebens- liebes- und verantwortungsfähig werden. Kirche ist dann erfolgreich, wenn Wesentliches ausserhalb der Kirche passiert. In Anlehnung an Bonhoeffer – Kirche ist nur dann Kirche, wenn sie für andere ist. (oder so).
Was mir fehlt / was vielleicht der Kürze zum Opfer fiel: Ist Kirche nicht darüber hinaus auch berufen, selbst als Gemeinschaft prophetisch zu leben – das heisst: In der Art, wie wir Christen Kirche gestalten, Leben teilen… sollte etwas sichtbar werden vom anbrechenden Reich Gottes.
Bliib draa, und bliib gsägnet!
Johann
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